MARA Anders
SCHNITTMUSTER FÜR FlÜgelwesen
Julia Rose Remmert, Ansprache zur Vernissage am 28. Mai 2007
Die Künstlerin Mara Anders zeigt in dieser Ausstellung Bilder aus verschiedenen Werkgruppen. Zum einen hängen Bilder aus der Reihe "Schnittmuster für Flügelwesen", zum anderen sind Arbeiten von der Serie "Honigzeichen", dem Zyklus "Felsen Spalten" und "Inselpläne" zu sehen.
Am Anfang der Ausstellung, oben im Eingangsbereich, hängen zwei großformatige Bilder, die mit "Denkspuren" betitelt sind. Ein Weiteres hängt unten. Man läuft darauf zu: eben Denkspuren 1, 2 und 3.
Als ich diese drei Bilder sah und auch den Titel dazu hörte, fand ich die Benennung der "Denkspur" programmatisch für das Werk von Mara Anders.
Jedes einzelne ihrer Bilder besteht aus mehreren Denkspuren, die sich auf der Leinwand begegnen Die Spuren sind miteinander verwebt, können aber auch eigenständig im Bild stehen. Diese Spuren setzt Mara Anders, bewusst oder nicht, in Ihre Werke ein. Bei der Auseinandersetzung mit diesen Arbeiten laufen sie dann im Kopf des Betrachter weiter, wecken Assoziationen, regen zum Nachdenken an.
Am Anfang eines Bildes existiert vielleicht schon eine Idee oder es ist ein Gefühl, ein Intuition der Künstlerin. Dann beim beendeten Bild kann auch der Betrachter sich eine Idee machen, über das Dargestellte nachdenken, es für sich selber weiterdenken und auch entwickeln. Es entstehen viele imaginäre Denkspuren, die sich in den Köpfen wie in den Ästen eines Baumes, seinen Verzweigungen verweben und weitere Assoziationen wecken.
Spurcharakter hat vor allem auch die Oberfläche der Werke von Mara Anders. Schaut man sich die Bilder genauer an, kann man einen besonders strukturierte Fläche entdecken. Sie entsteht zunächst durch das Auftragen von Farbe. Der besondere Pinselduktus, das Tropfen der Farbe und das häufige Übermalen.
Aber die Struktur entsteht vor allem auch durch die Verwendung von verschiedenen Papierarten, die Mara Anders auf die Leinwand aufbringt. Sie schafft so Collagen. Es entstehen neue Spuren. Diese Art von Spur geht sogar noch einen Schritt weiter: es ist nicht nur eine gemalte Fläche, sondern das Bild wird dreidimensional. Es wird zum Objekt. Die Oberfläche wölbt sich, es erscheinen eigene Landschaften mit Bergen und Tälern. Diese Gebiete werden vor allem durch Licht modelliert. Es entstehen Schatten und Lichtpunkte. Durch verschiedene Lichtsituationen, Tageszeiten, Jahreszeiten und in unterschiedlichen Ausstellungsräumen entstehen so immer wieder neue Spuren. Jedes Bild wirkt zu einer anderen Zeit auf neue Weise. Durch die Umgebung variiert auch die Wirkung. Die Oberfläche wird zur Landschaft und malt zusammen mit Farbe Spuren auf die Leinwand. Das Bild wird haptisch.
Ein weiteres Thema in den Arbeiten von Mara Anders ist die Spannung von Bild und Wort. In vielen ihrer Bilder sind ganze Sätze, aber auch einzelne Wörter eingearbeitet. Sie schreibt mit Kohle auf die Leinwand und ritzt auch in die Farbe Schrift. Die Aussagen haben einen skizzen- und notizenhaften Charakter und sind meist erst auf den zweiten Blick sichtbar. Sie können dem Bild aber nach der Entdeckung eine ganz andere Wirkung geben, als ohne die Nennung und Aussage der Schrift
Die Verwendung von Sprache und ihrer Zeichen, also Schriftzeichen, scheint mir wichtig im Werk von Mara Anders. Dem Betrachter öffnet sich so eine neue Erlebniswelt. Es entsteht ein Dialog von Sprache und Bild. Die Schrift kann vor allem als Zeichen verstanden werden. Ein Zeichen steht für etwas, es verweist auf etwas anderes, was zunächst nicht sichtbar ist. Dies ist auch ein wichtiger Bestandteil der Bilder der Werkgruppe "Honigzeichen".
Nach Ferdinand de Saussure ist ein Zeichen die Beziehung zwischen Bezeichnetem und Bezeichnung. Das Bezeichnete entspricht einer Vorstellung oder einem Konzept. Zeichen für die Kommunikation zwischen Menschen bedürfen einer "Verabredung", einer Konvention. Aber jedes Zeichen kann für einen anderen Betrachter etwas vollkommen anderes andeuten. So wie Mara Anders sie einsetzt, wecken die Zeichen unterschiedliche Assoziationen und Denkzusammenhänge. Also auch wieder eine Art von Denk-Spur, die beim Betrachten der Arbeiten entsteht.
Die Farben, die Mara Anders verwendet, haben ebenfalls Spurcharakter. Es sind vor allem Weißtöne, aber auch Braun und Schwarz und Abtönungen dieser Farben zu finden. Die Bilder nehmen sich zunächst durch ihre Farbigkeit zurück. Erst durch intensiveres Schauen, tauchen weiter Farben auf. Der Betrachter tritt näher, beschäftigt sich mit dem Bild, um Antworten zu finden. Es sind eben Spuren und diese wird jeder erst für sich selber zusammensetzten. Die Bilder der Reihe "Schnittmuster für Flügelwesen" sind farbenreicher und sind vielleicht als eine Art Gegenpol zu den doch sehr erdig wirkenden "Honigzeichen" zu verstehen.
Ich finde, die Gegenüberstellung der Schnittmuster für Flügelwesen und die Arbeiten mit den Urzeichen, wie Kreis. Kreuz und anderen, ergibt zusammen eine geschlossene Einheit:
Die Flügelwesen, die in den Himmel schweben und die Möglichkeit des Fliegens ausdrücken. Die als Überwindung in himmlische Sphären, hin zum Göttlichen verstanden werden können.
Dem gegenüber die erdigen Urzeichen, die mit dem Menschen und der Erde verbunden sind. Es entsteht ein Gegensatz von etwas Metaphysischen und dem Irdischen. Die Zeichen an sich, die durch den Lauf der Zeit eine besondere Wertigkeit, aber auch Nachvollziehbarkeit gewonnen haben, stehen der Möglichkeit zur Überwindung des Menschlichen gegenüber. Die Leichtigkeit, das Aufsteigen steht dem Bodenständigen und Realen gegenüber.
So schafft Mara Anders eine besondere Spannung in ihrem Werk, die jeden einzelnen von uns auf unterschiedliche Art und Weise berührt.
Denkspuren
Felsen Spalten
Weitere Bilder von Mara Anders im Web: http://www.mara-anders.de