ROLAND PETER LITZENBURGER
* 31. Oktober 1917 + 24. Dezember 1987
PORTRAITs von Günter W. Remmert 1976-1978
Ich erinnere mich noch sehr gut an die seelischen Wechselbäder, in die ich tauchte,
als ich vor Jahren bei Roland Peter Litzenburger Portrait saß.
Unser gegenseitiges Kennen lernen hatte Jahre früher begonnen,
stunden- und tagelange Gespräche,
manche Briefe waren vorausgegangen.
Mitten im Gespräch fing Roland Peter Litzenburgerzu zeichnen an.
Er fragte beiläufig, ob es mich nicht störe.
Noch störte es mich nicht.
Aber bald störte mich manches auf.
Und eines der entstehenden Blätter
(später nannten wir es den "Gefährten der Hoffnung")
sollte mich erheblich verstören, als ich es fertig sah.
Was geschah damals zwischen uns beiden?
Die Feder noch ungebärdiger als der Kugelschreiber kratzte und raschelte auf dem Papier.
Die konzentrierten Blicke des Malers huschten zwischen meinen Zügen und seinen eigenen Schriftzügen hin und her.
Die Lider über seinen hervorquellenden Pupillen verschoben sich wie die Kuppeln von Sternwarten,
in denen um immer neue Einstellungen zu fernen Welten gerungen wird.
Vertrautheit war in diesem Blick, aber keine bequeme.
Wissen und Erkenntnis, aber nie überheblich.
Ich fühlte mich ertappt, ausgezogen und seltsamerweise wieder neu umhüllt.
Was da als Nacktheit meiner Physiognomie zum Vorschein kam, erschien mir fremd, fragend, unvertraut.
Sollte das wirklich ich sein und warum wusste ich nichts davon?
Konnte ich meine intime Gestalt vergessen haben oder nie geschaut?
Der Ausweg, darauf zu beharren "Das bin gar nicht ich!" war durch meinen Respekt vor der Sensibilität des Malers verbaut.
Ich traute ihm bei weitem mehr Wahrnehmungsgabe zu als mir.
Aber wenn es um mich selber ging?
War er da tatsächlich eher zuständig als ich?
Da Abwehr sich verbot, fühlte ich mich hilf- und ratlos. Ich weinte.
Und unter diesen Tränen keimte langsam Sympathie.
Auch Neugier, Nachfragen, Nachschauen.
Ich hatte das Nachsehen!
Zögernd, später mutiger konnte ich Linien zu mir nehmen, mir aneignen, mich in ihnen wie im Spiegel wieder finden.
Konnte Offenes Stück für Stück offenlassen.
Konnte ohne Zwang zum Eingreifen zusehen, wie bisherige Selbsteinschätzungen ins Fließen gerieten und sich verwandelten,
wenn ich auch noch nicht wusste, wohin.
Geraume Zeit später war ich so begeistert von dem einen oder anderen Portrait,
dass ich mir wünschte, so zu werden, wie das Blatt mich zeigt.
Ich bestimmte es zum Zukunftsentwurf, zum Vorbild.
Inzwischen scheint mir, dass die Hochstimmung ein ebenso schlechter Ratgeber sein kann wie die Niedergedrücktheit.
Und dass es gefährlich werden kann, wenn ich anderes zum Vorbild hochstilisiere
und mich dementsprechend zum Abziehbild.
Es scheint mir wichtig, den Abstand in der Nähe auszuhalten, das "Gegen" in der Begegnung.
Ich möchte das Bild vor mir ernst nehmen als Echo, als Spiegelung, als Gegenrede und Anfrage.
Und sehen so wie ich Nahrung aufnehme:
indem ich dem Bild und mir selber die Chance gebe, uns aneinander zu verwandeln.
(Günter W. Remmert)