LICHTWORTE
Fotoausstellung von Wilfried Beege (1944-2024)
Beegee über seine Arbeit, Vernissage Ausstellung CATWALK
Beegee bei der Arbeit, Film von Matthias Seldte
Diashow mit 43 Lichtbildern
Ansprache zur Vernissage am 17. März 2000 von Günter W. Remmert
Liebe Freunde im Verein zur Förderung persönlichen Wachstums, liebe Gäste der SCHMIEDE, lieber Wilfried Beege alias Beegee,
es ist so weit: nach monatelangem Bangen "Wird es, wird es nicht?" werden die Räumlichkeiten der SCHMIEDE wieder von neuen, bisher ungezeigten Licht-Bildern geschmmckt. Du, Wilfried, hast Deine Weise zu sehen, Deine Augenblicke in Fotos eingefangen und sie uns vor Augen geführt. Du hast mir erzählt, dass die meisten dieser Bilder gewissermaßen Abfallprodukte Deiner sonstigen Tätigkeit als Fotograf sind, im Vorübergehen entstanden oder im Urlaub und zwar in einem Zeitraum von etwa 15 Jahren, von 1984 bis 1999. Welch eine Ausbeute von Licht-Begegnungen wie nebenher, im Vorübergehen! Danke für Deine Aufmerksamkeit auf die vielen Situationen, in denen sich etwas zeigt, was von vielen übersehen wird, und das doch seinen ganz eigenen Glanz hat.
In den Monaten der Vorbereitung auf diese Ausstellung begegnete mir das vielleicht älteste Lied oder Gebet, in dem ein Mensch die Sonne pries. Es stammt aus dem 13. Jahrhundert vor Chr. und wurde in Ägypten gedichtet:
"Du erscheinst schön im Lichtort des Himmels, du lebendige Sonne, die das Leben bestimmt. Du bist im östlichen Horizont aufgegangen und hast jedes Land erfüllt mit deiner Vollkommenheit.
Du bist schön und groß, glänzend und hoch über jedem Land. Deine Strahlen umarmen die Länder bis zu den äußersten Grenzen alles dessen, was du geschaffen hast. Du bist Re (Sonnengott Altägyptens), du erreichst ihr Land und bezwingst sie für deinen geliebten Sohn (Echnaton). Wenn du auch fern bist, sind doch deine Strahlen auf Erden. Du bist im Angesicht der Menschen, und doch kann man deinen Weg nicht ergründen.
Wenn du zur Ruhe gehst im westlichen Horizont, ist die Erde in Dunkelheit, gleichsam tot. Die Schläfer sind in ihrer Kammer, die Häupter verhüllt, und kein Auge sieht das andere. Würden alle ihre Sachen gestohlen, die unter ihrem Kopfe liegen, sie merkten es nicht. Jeder Löwe kommt aus seiner Höhle, alles Gewürm beißt. Das Dunkel herrscht, die Erde liegt im Schweigen, da der, der sie geschaffen hat, in seinem Horizont ruht.
Im Morgengrauen, wenn du dich im Horizont erhebst, vertreibst du die Finsternis und verschenkst deine Strahlen. Die beiden Länder (Ober- und Unterägypten) sind in Feststimmung. Die Menschen erwachen, stellen sich auf ihre Füße; denn du hast sie aufgerichtet. Sie waschen ihren Leib, nehmen ihre Kleidung. Sie erheben ihre Arme in Anbetung ob deines Aufganges. Das ganze Land, es tut nun seine Arbeit.
Alles Vieh ist zufrieden mit seinem Futter, Bäume und Kräuter grünen. Die Vögel fliegen aus ihren Nestern, ihre Flügel preisen dich. Alles Wild springt auf die Füße, alles, was umher fliegt, lebt; denn du bist für sie aufgegangen.
Die Schiffe fahren stromab und stromauf; jeder Weg ist frei nach deinem Aufgang."
Sonnenlied des Königs Echnaton (König Amenophis IV., ca. 1370-1352, Gemahl der Königin Nofretete. Verwarf alle Götter des ägyptischen Polytheismus und verkündigte die alleinige, monotheistische Verehrung der Sonne, des Gottes Aton. Echnaton = "es gefällt dem Aton")
König Echnaton war nicht nur beeindruckt, er war tief ergriffen von dem Phänomen des Sonnenlichtes. Er verehrte es als seine Gottheit. Was ist dies für eine Erscheinung, die uns allen alltags-gegenwärtig, in ihren Wirkungen vertraut ist, und deren Wesen uns doch unfassbar erscheint?
Das Licht erscheint uns einerseits normal und selbstverständlich und gehört doch andererseits zu den großen Geheimnissen unseres Lebens. Wie Echnaton sagt: Es ist im Angesicht der Menschen und doch kann man seinen Weg nicht ergründen. Wenn ein Mensch geboren wird, sagen wir: er erblickt das Licht der Welt. Und viele Menschen berichten von einer überwältigenden Begegnung mit dem Licht im Vorgang des Sterbens. Licht, das ist für uns etwas unsagbar Großes, ein Symbol für die endgültige Sinngebung und Erfüllung unseres Erdenlebens. Wenn ein Mensch im Licht ist, dann ist er angekommen ...
Licht ist auf unserem blauen Planeten ein transkulturelles und transreligiiöses Symbol für den Geist, für die Gottheit, für das geglückte und erfüllte Leben.
- Im Buddhismus strebt man nach Erleuchtung, ist das Licht die Befreiung, die unmittelbare Erkenntnis. Der Buddha erscheint als klares Licht und reines Sein.
- In den Religionen Chinas ist das Licht die Himmelsmacht Yang.
- Im Christentum erscheint Christus als Licht der Welt.
- Im Daoismus wird das Dao als Himmelslicht gepriesen.
- In den griech. und röm. Religionen erscheint die oberste Gottheit Zeus/Jupiter als die Klarheit, als der Gott des klaren Himmels.
- Im Hinduismus begegnet Krishna als Herr des Lichts, als das Selbst, Atman, als Geistigkeit, Weisheit und Heiligkeit.
- Im Gayatri Mantra, das Christa mit uns morgens gesunden hat, ist von der göttlichen Sonnenkraft die Rede, von dem heilenden Licht, das es zu meditieren gilt.
- Im Koran des Islam heißt es: "Allah ist das Licht der Himmel und der Erde."
Menschliche Entwicklung, persönliches Wachstum wird in all diesen Überlieferungen oft beschrieben als Aufstieg aus der Dunkelheit ins Licht, als Entwicklungsweg, Individuation, Wahrheit, Erleuchtung, als Weg in die unmittelbare Erkenntnis. Das ist es wohl: wir alle haben eine Lichterfahrung in uns, verborgen in unserer Seele, und diese Erfahrung ist so überwältigend und so erfüllend, dass wir ständig irgendwie auf der Suche nach ihr sind, dass es uns zutiefst lockt, ins Licht zu kommen.
Bei den Vorbereitungen zur Ausstellung, als wir die Bilder hingen, sprachen wir, Wilfried, Du erinnerst Dich noch, angesichts einiger Fotos über die Heiligkeit des Gewöhnlichen. Ist es nicht das? Das Licht ist schon da, im Alltäglichen, im Gewöhnlichen, wir brauchen es nur zu realisieren. Es ist alles da. Das Gewöhnliche ist genug.
Der Glanz und die Schönheit Deiner Fotos, Wilfried, ist ein Abglanz der tiefen Licht-Erfahrung in uns allen. Danke, dass Du uns hilfst, das Licht zu realisieren, in dem wir bereits leben!
Ich möchte schließen mit einem Sonnengesang aus der modernen Literatur. Er stammt von Ingeborg Bachmann aus ihrer Gedichtsammlung Anrufung des großen Bären:
"Schöner als der beachtliche Mond und sein geadeltes Licht,
Schöner als die Sterne, die berühmten Orden der Nacht,
Viel schöner als der feurige Auftritt eines Kometen
Und zu weit Schönrem berufen als jedes andre Gestirn,
weil dein und mein Leben jeden Tag an ihr hängt, ist die Sonne.
Schöne Sonne, die aufgeht, ihr Werk nicht vergessen hat
Und beendet, am schönsten im Sommer, wenn ein Tag
An den Küsten verdampft und ohne Kraft gespiegelt die Segel
Über dein Aug ziehn, bis du müde wirst und das letzte verkürzt.
Ohne die Sonne nimmt auch die Kunst wieder den Schleier.
Du erscheinst mir nicht mehr, und die See und der Sand,
Von Schatten gepeitscht, fliehen unter mein Lid.
Schönes Licht, das uns warm hält, bewahrt und wunderbar sorgt,
Dass ich wieder sehe und dass ich dich wiederseh!
Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein ..."
Weitere Fotos von Wilfried Beege im Web: http://www.beege.de